Was sind der Schweiz die betreuenden Angehörigen wert?

Pflegende Angehörige sind unverzichtbare Partner in der Versorgung: Zum fairen Deal für Carers

 

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Zum «European Carers Day» am 6. Oktober 2024 stellen wir eine entscheidende Frage: Was ist der Schweiz die Arbeit betreuender Angehöriger wert? Ihr geschätzter Beitrag liegt bei 3.7 Milliarden Franken jährlich – eine Leistung, die oft nicht freiwillig, sondern mangels Alternativen erbracht wird. Trotz dieser immensen Belastung bleibt die Anerkennung im Gemeinde-, Sozial- und Gesundheitswesen unzureichend. Wie lange will unsere Gesellschaft den betreuenden Angehörigen die hohen Opportunitätskosten ihrer Care-Arbeit noch aufbürden?

Zwar existieren bereits einige Instrumente wie die Hilflosenentschädigung, Betreuungszulagen oder Entlastungsfinanzierungen, doch sie reichen bei Weitem nicht aus, um die Betreuung von kranken, älteren oder behinderten Menschen über einen längeren Zeitraum zu leisten.

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Die Alternativen: Heim oder Spitex-Anstellung

Aktuell stehen Familien, denen das Geld nicht reicht, im Wesentlichen vor zwei Optionen: die Unterbringung der zu betreuenden Person in einem Pflegeheim oder die Anstellung bei einer Spitex-Organisation. Doch die zentrale Frage, die uns alle beschäftigt, lautet: Was wäre ein „fairer Deal“ für diese Angehörigen, die oft rund um die Uhr im Einsatz sind und unverzichtbare Unterstützung leisten?

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Ein „fairer Deal“ für pflegende Angehörige

Aktuell erhalten Spitex-Organisationen in der Schweiz einen im oberen zweistelligen oder unteren dreistelligen Betrag im Millionenbereich, um pflegende Angehörige anzustellen. In einigen Kantonen werden zusätzlich Betreuungszulagen als Form der Anerkennung ausbezahlt – Insgesamt in einer ungefähren Grössenordnung von mehreren Dutzend Millionen Franken jährlich. Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit bietet die Hilflosenentschädigung, die flexibel eingesetzt werden kann. Dank diesen Massnahmen dürften derzeit mehrere tausend pflegende Angehörige finanziell entschädigt werden. Das sind grobe Schätzungen, genaue Zahlen sind momentan nicht verfügbar.

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Kombination von Anstellung und Zulagen als Lösung?

In einigen Kantonen wird derzeit diskutiert, ob eine Kombination aus Spitex-Anstellung, Betreuungszulagen und Hilflosenentschädigung möglich ist. Diese Lösung könnte pflegenden Angehörigen, die finanziell eingeschränkt sind, ihre Erwerbstätigkeit aufgeben mussten und andauernd im Einsatz sind, einen durchschnittlichen monatlichen Lohn von etwa 2’700 bis 3’500 Fr. sichern. Ein Beispiel: Die Spitex zahlt für 45 Stunden Grundpflege zwischen 35-45 Fr. Stundenlohn, insgesamt 1'800 Fr., dazu kommen 600-900 Fr. Betreuungszulage und rund 600 Fr. mittlere Hilflosenentschädigung. Doch die Frage bleibt: Ist dies wirklich fair, wenn der durchschnittliche Monatslohn im Gesundheits- u. Sozialwesen zwischen 6'143 und 6'552 liegt. Quelle: BFS, Zentralwert für Mitarbeitende ohne Kaderfunktion, ohne Berücksichtigung von Alter, Qualifikation, Ausbildung und Region etc.

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Der Weg zum Geld

Ein wichtiger Punkt ist die schnelle Verfügbarkeit von Unterstützung. Nach medizinischen Notfällen wie einem Hüftbruch oder Schlaganfall muss Betreuung oft sofort organisiert werden. Lange Wartezeiten und komplexe Antragsprozesse bei verschiedenen Stellen sind für Angehörige in solchen Notsituationen untragbar. Unbürokratische finanzielle Soforthilfe, wie sie bereits einige Gemeinden anbieten, ist hier entscheidend.

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Die Kosten für die Gesellschaft

Laut Studien könnten bis 2035 über 70'000 betreuende Angehörige durch eine flächendeckende Anstellung bei Spitex-Organisationen und zusätzliche Betreuungszulagen entlohnt werden. Die geschätzten Kosten für die Gesellschaft würden sich dabei auf etwa 1.8 Milliarden Franken belaufen. Quelle: Betreuungszulagen und Entlastungsangebote für betreuende und pflegende Angehörige, Schweizweite Bestandsaufnahmen Im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (S.57).

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Die grosse Mehrheit ist berufstätig

Während derzeit "nur" Tausende Carers finanzielle Unterstützung erhalten, leisten laut BAG und BFS zwischen 8 % und 17 % der rund 9 Millionen Einwohner der Schweiz unbezahlte, informelle Hilfe oder sind darauf angewiesen. Diese ungleich grössere Gruppe benötigt dringend Unterstützung, um die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung zu verbessern. Dafür sind Innovationsbeiträge in digitale Lotsensysteme unerlässlich, die es Berufstätigen Carers ermöglichen, Hilfsangebote leichter zu finden, administrative Abläufe zu vereinfachen und die Koordination von Betreuung und Pflege effizienter zu orchestrieren. Ein möglicher Ansatz zur Finanzierung wäre, Beiträge aus den OECD-Mindeststeuer-Fonds in eine IT-Betriebsgesellschaft zu investieren.

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Lobby für betreuende Angehörige

Swiss Carers fordert eine umfassende gesellschaftliche Debatte über den Wert, den wir betreuenden Angehörigen beimessen. Diese systemrelevante Personengruppe verdient stärkere Unterstützung, eine klare Stimme und die Möglichkeit, aktiv und konstruktiv an der Gesetzgebung mitzuwirken, damit ihre Anliegen nicht zwischen verschiedenen Interessenvertretungen untergehen.

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Care-Promille

Als Mitgliederorganisation von betreuenden Angehörigen setzen wir uns für die Einführung eines sogenannten „Care-Promilles“ ein. Dieser Beitrag könnte auf Leistungen der Angehörigenpflege und Betreuungszulagen erhoben werden und würde die Finanzierung einer Vertretungsorganisation ermöglichen zur Qualitätssicherung – ähnlich wie bei den Krankenkassenprämien für Gesundheitsförderung oder den AHV-Beiträgen für Altersorganisationen.

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Innovative Pilotprojekte

Swiss Carers ist bereit, die Rolle einer Vertretungsorganisation für betreuende Angehörige zu übernehmen, um deren Interessen gezielt zu vertreten und die Rahmenbedingungen in der Angehörigenbetreuung nachhaltig zu verbessern. Diese Initiative soll auf den Erkenntnissen innovativer Pilotprojekte aufbauen, die bereits heute wertvolle Ansätze für eine bessere Unterstützung und Entlastung der Angehörigen liefern. www.weplus.care

 

Weiterführende Informationen

  • Rechner: Swiss Carers lanciert den We+Care Rechner, ein Tool, das betreuenden Angehörigen ermöglicht, anonym die Verfügbarkeit finanzieller Unterstützung in ihrer Wohnsitzgemeinde schweizweit zu ermitteln. Der Rechner ist bis zum 30. Oktober, dem Tag der betreuenden Angehörigen, kostenlos unter dankeangehoerige.ch verfügbar.


  • Anstellung: Swiss Carers stellt auf einer neuen Website hilfreiche Tipps, Checklisten und ein Suchtool zur Verfügung, um pflegende Angehörige bei der Suche nach fairen Anstellungsbedingungen bei Spitex-Organisationen zu unterstützen. Ziel ist es, diesen Angehörigen zu einem „fairen Deal“ zu verhelfen. Mehr Informationen unter: weplus.care/anbieter.

  • Hintergrundinformationen: Blogposts mit Verweisen und Zusammenfassungen der genannten Studien sowie aktuellen Zahlen und Entwicklungen bietet Politikschaffenden eine umfassende Entscheidungshilfe. Weitere Informationen finden Sie hier: blog.swisscarers.org


Über Swiss Carers
Swiss Carers ist eine Fachorganisation, die sich für die Rechte und Bedürfnisse betreuender Angehöriger in der Schweiz engagiert. Als Mitglied von Eurocarers unterstützen wir die gemeinsame Kampagne. Damit leisten wir einen Beitrag, die Belange betreuender Angehöriger im Rahmen einer gesamteuropäischen Struktur zu fördern.
Als gemeinnütziger Verein bieten wir digitale Tools an, die für Carers kostenlos verfügbar sind. Diese innovativen Selbstmanagement-Instrumente werden durch Spenden, Partnerschaften mit Unternehmen und Leistungsvereinbarungen mit öffentlichen Institutionen aus den Bereichen Gemeinde, Sozial- und Gesundheitswesen finanziert. Dies geschieht zur Anerkennung der unverzichtbaren Leistungen, die betreuende Angehörige erbringen. www.swisscarers.org

Disclaimer: Die in dieser Kampagne geäusserten politischen Ansichten stammen ausschliesslich von privaten Vereinsmitgliedern und betreuenden Angehörigen. Sie spiegeln nicht die Positionen der juristischen Mitglieder und Partnerorganisationen von Swiss Carers wider.

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